Ingo Maurer ist nicht nur bekannt für seine eigensinnige und humorvolle Lampenkollektion,
sondern auch für Lichtinstallationen im öffentlichen Raum. Ingo
Maurers Entwürfe für U-Bahnhöfe in München haben diese Wartebereiche und
Passagen mittels Licht und Farbe in Orte mit hoher Aufenthaltsqualität verwandelt.
Die Stationen Westfriedhof, Münchner Freiheit und Marienplatz sind
bei Nutzern und Betreibern beliebt, und werden inzwischen häufig von Planern
aus anderen Regionen besucht. Die Stadtbahn Karlsruhe begleitete Ingo Maurer
gestalterisch von 2004 bis 2021.
Der Entwurf von Allmann Sattler Wappner Architekten für die Stadt Karlsruhe
sieht vor, die Innenstadt unterirdisch durch die Stadtbahn zu verbinden. Wie
eine unterirdische Leitlinie führt das neue, einheitliche Design von sieben in den
Untergrund verlegten Haltestellen der Straßenbahn durch die Innenstadt von
Karlsruhe. Die Räume beziehen ihre Kraft und Poesie aus einer zurückhaltenden
Gestaltung, die im Kontrast zur optischen und akustischen Reizdichte der darüber
liegenden Fußgängerzone steht. Die Kubatur der Halte-stelleninnenräume
wird maßgeblich von der Form der jeweiligen Ingenieurbauwerke und der spezifischen
städtischen Lage bestimmt. Dadurch erhält jede Haltestelle einen
eigenständigen Charakter mit hohem Wiedererkennungswert, der Rückschlüsse
auf die äußeren Bedingungen zulässt. Die formal stets reduzierte Gestaltung der
Räume verstärkt die Zeichenhaftigkeit der Haltestellenvolumina. Das Konzept
sieht zwei Raumkategorien vor, die unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien
folgen: Im Transferraum mit Treppen und Zwischengeschossen wird die Konfiguration
des Ingenieurbauwerks direkt und ohne bauliche Verkleidungen
abgebildet. Der Aufenthalts- und Wartebereich auf Bahnsteigebene hat mit
farblicher Homogenität und hellen Oberflächen einen beruhigenden, beinahe
meditativen Charakter. Gleiche Materialität von Decke, Wand und Boden sorgt
für Reduktion und Fokussierung auf die wichtigen Elemente Straßenbahnen,
Schriften und Zeichen.
In diesen formal stark reduzierten Innenräumen entspinnt sich die eindringliche
Lichtgestaltung von Ingo Maurer. Das Thema Oberleitungen und das vermeintliche
Gewirr aus Drähten und Kabeln, das sich über Bahntrassen zieht, ist hier
Ausgangspunkt des Lichtkonzepts. In jedem der sieben Bahnhöfe sind Drahtseile
quer über beide Bahnsteige gespannt. Ein Segment besteht aus sechs Seilen,
wobei jeweils drei nebeneinander liegen und eine Reihe darüber. Auf jeder Seite
des Bahnsteigs liegen zehn zylindrische Leuchtstäbe auf den Seilen. Sechs Stäbe
sorgen für eine gleichmäßige Ausleuchtung der Bahnsteige, die vier verbleibenden
Leuchten erhellen den Deckenraum. Die zylindrischen Leuchtstäbe liegen auf den
Drahtseilen auf. Während die Ausrichtung der Stäbe streng in Fahrtrichtung
verläuft, verspringen sie scheinbar zufällig in der Höhe. Darüber hinaus werden
die wartenden Fahrgäste am Bahnsteig von farbigen Schatten gerahmt, welche
den Wartenden folgen und zu Interaktionen untereinander einladen. Die sichtbare
Verspannung von Drahtseilen und Stromkabeln erinnert in ihrer Ästhetik
an die Elektrifizierung der Eisenbahn und den implizierten Fortschrittsglauben.
Ingo Maurer bezeichnet diese Kabelage als eine Art ‚Industrial Romance‘, in der
Technik durch ihre Sichtbarkeit beeindruckt und nachvollziehbar wird.
Elektrizität wird spürbar.
Die sieben U-Bahnhöfe für die Stadtbahn Karlsruhe wurden am 10. Dezember 2021 eingeweiht.